In erster Linie Schrecken
„Aber die Schlangen Lini ist vnentlich zu verendern /
darauß man wunderbarlich ding mag machen.“1– Albrecht Dürer (1525)
In der Kunstgeschichtsschreibung wird die Linie häufig mit einer besonderen, fast auratischen Qualität ausgestattet. Eine Ausstellung im Kunsthaus Zürich trug beispielsweise den Titel „Die Poesie der Linie“, die Untersuchung altmeisterlicher Zeichnungen der Kunsthistorikerin Annemarie Stefes trägt wiederum den Titel „Der zarte Glanz der Linie“ und Werner Hofmanns zentrale Publikation zu diesem Thema identifiziert die Linie unter Rekurs auf William Hogarths Analysis of Beauty sogar mit dem Begriff der Schönheit: „Die Schönheit ist eine Linie“.2 Die „Linienschönheit“ wird von Hofmann in schwungvollen Wendungen gelobt: „Ihr Rhythmus schmeichelt sich dem Auge ein, ihre gleitende Kraftreserven scheinen unerschöpflich.“3 Im Graffiti gibt es jedoch ein Phänomen, das den Fokus zwar ebenfalls auf die Linie richtet, aber die positiven Zuschreibungen kaum krasser unterwandern könnte. Eine sogenannte terrorline soll gerade nicht schön sein, sondern dient, wie der Name andeutet, einem gegensätzlichen Zweck. Diese Linie stellt uns vor ein Problem, welches darin liegt, dass sie zwar antiästhetisch motiviert ist, aber dennoch eine eigene Ästhetik entwickelt. Auf den ersten Blick dürften die ästhetischen Qualitäten, die herkömmlicherweise bei Zeichnungen großer Meister hervorgehoben werden, nur mehr oder weniger auf die terrorline zutreffen. Bei einem zweiten Blick verwundert allerdings, dass sich auch ihr Rhythmus dem Auge einschmeichelt und ihre „gleitende[n] Kraftreserven“ unerschöpflich scheinen (Abb. 1).

Die terrorline will in erster Linie bloßer Vandalismus sein. Sie ist eine möglichst lang gezogene, meist wellenförmige Linie, die sich über eine Oberfläche erstreckt, welche mit dem Akt des Sprühens entwertet werden soll. Sie verzichtet vollkommen auf Buchstaben, deren stilistische Ausarbeitung der Dreh- und Angelpunkt in der qualitativen Bewertung von Graffiti ist. Hier kann sich das kreative Potenzial voll entfalten. In sogenannten pieces, also großflächigen und farbigen Schriftbildern, entwickeln Sprüher*innen ihren individuellen Stil, der neben der jeweils gesprühten Buchstabenfolge zu einer Art Markenzeichen wird. Die zentrale Rolle des Stils gerät jedoch bei einer terrorline vollkommen aus dem Blick. Sie ist nur in den seltensten Fällen mit einem einschlägigen Namen signiert.
Anhand einer Aktion der Umweltaktivismus-Gruppe Just Stop Oil! wird deutlich, dass ihr Zweck die Negation des Bildträgers sowie der damit verknüpften Inhalte ist. Im Oktober 2022 besprühten Mitglieder der Gruppe mehrere Gebäude von industrienahen Lobbyorganisationen sowie ein Geschäft des Luxusuhrenherstellers Rolex in der Londoner Innenstadt mit orangefarbener Farbe (Abb. 2, 3).4 Zwar ist sie in der Ausführung nicht von der ausgeprägten Linearität, die sie im Graffiti herkömmlicherweise besitzt, aber sie stellt das Grundprinzip der terrorline zur Schau, das in der vandalistischen Entwertung des bemalten Untergrunds liegt. Wie auch im Graffiti üblich, bedienten sie sich des größeren Drucks eines Feuerlöschers zur Maximierung der Sprühkraft. Aktivismus und Graffiti unterscheiden sich grundsätzlich darin, dass Graffiti sich in der Regel innerhalb einer eigenlogischen Sphäre bewegt und lediglich sekundär gegen die etablierte Ordnung gerichtet ist, während jede aktivistische Aktion meist mit einem außerhalb ihrer selbst stehenden Ziel verbunden wird. Gemeinsam ist hingegen einerseits die destruktive Absicht, die darauf abzielt, das besprühte Objekt weithin sichtbar zu entwerten, und andererseits die ästhetische Kraft, die von der unmissverständlich gesendeten Botschaft ausgeht. Subkulturelle Betätigung und subversiver Aktivismus berühren sich ferner in dem Punkt, dass sie außerhalb der Legalität agieren und sich dadurch an der Grenze zwischen Vandalismus und Terrorismus bewegen. Da sich der aktivistische Anwendungsfall der terrorline jedoch explizit kritisch gegen staatliche Politik wendet, tendiert er eher zum Terrorismus als im Graffiti. Als Terrorismus ist die besprochene Aktion jedoch nicht unbedingt zu werten. Immerhin wurde kein staatliches, sondern ein privatwirtschaftliches Objekt attackiert. Auch ist zwischen Gewalttaten gegen Menschen und Dingen zu differenzieren.5

Terrorline, Ikonoklasmus und ästhetisches Potenzial
Der vielleicht häufigste Anwendungsfall einer terrorline ist das sogenannte crossen – also das ikonoklastische Übermalen – von anderen Bildern. Anstatt ein solches Bild komplett zu übermalen oder mit eigenen tags, also meist kleineren Schriftzügen, zu bedecken und damit zu entwerten, drückt eine terrorline größte Geringschätzung oder sogar Hass aus, weswegen sie auch hateline genannt wird. Solche Linien sind meist ein explizites Statement und ein Affront gegen den Sprüher, dessen Bild auf diese Weise zerstört wird. In Basel beispielsweise wurde 2020 ein legal gemaltes Bild auf der „Streetart-Meile“ an der Schwarzwaldbrücke innerhalb weniger Tage mit zwei terrorlines in Chrom und Lila überdeckt (Abb. 4).6 Da das Projekt von der Stadt mitfinanziert wurde, sollte dadurch ein Zeichen gegen die kulturpolitische Einhegung einer ursprünglich subkulturellen Praxis gesetzt werden.

Dabei ähnelt diese Art des ‚Bildersturms‘ durchaus dem produktiven Potenzial, das der Kunsthistoriker Martin Warnke dem religiösen Ikonoklasmus attestierte. Was Warnke über die Bilderstürme der Wiedertäufer in Münster von 1534/35 schrieb, steht analog zur Praxis der terrorline. Mit Blick auf den mit Meißelschlägen traktierten Kopf der Grabskulptur einer Äbtissin konstatiert der Kunsthistoriker, dass der „Entstellungsakt kein künstlerischer, wohl aber objektiv ein ästhetischer Akt“ gewesen sei (Abb. 5).7 In der Mutilation des Gesichtes selbst liegt ein ästhetischer Eigenwert. Das letztlich nicht gänzlich zerstörte Objekt wird durch die beigefügten Schäden visuell transformiert und zu einem gegen sich selbst gerichteten Symbol, wobei nicht die Kunst selbst, sondern der dahinterstehende Sinngehalt angegriffen wird.

Die terrorline wird allerdings auch um ihrer selbst willen angebracht und kann auch ohne ikonoklastische Absicht für sich selbst stehen. Eines der am besten dokumentierten Beispiele für eine terrorline befindet sich am Schluss des 80-minütigen Graffitifilms Keep us in good memories (2015) mit einigen prominenten crews aus Nordrhein-Westfalen.8 Nachdem das gesamte Video über Züge und Wände mit ausgefeilten pieces in erstaunlicher Qualität und Größe besprüht wurden, ist dem Ende als großes Finale der grande terreur vorbehalten.9 Ein Dutzend Sprüher greift nach sorgfältiger Vorbereitung gleich mehrere vorbeifahrende Regionalzüge mit regelrechten Attacken an, besprüht sie mit farbgefüllten Feuerlöschern und bewirft sie mit Farbeimern (Abb. 6, 7). Die Geschwindigkeit ist den Farbspuren auch im Nachgang noch anzusehen (Abb. 8).

In den YouTube-Kommentaren wird das ‚große Finale‘ des Films wiederholt lobend hervorgehoben. Unknown.135 schreibt etwa: „geschändet ist das Wort für die letzte Aktion – tiefster Respekt!“ Unter dem Kommentar „Das beste zum Schluss!“ von Fuchslochtv entfaltet sich jedoch eine kleine Meinungsverschiedenheit. waitthisisnotpornhub3860 schreibt: „wenn das irgendjemand auf einer Leinwand macht ist es expressionistisch und künstlerisch wertvoll“. Als Reaktion darauf kritisiert curios: „Nah man this is just vandalism. Most people don’t really like graffiti so when they see this their hate rises even more. The pieces are way better“. Wenn der Vandalismus eine schöne Form besitzt, wird er mit mehr Wohlwollen aufgefasst, so das Verdikt. Die terrorline schwankt offenbar zwischen Ästhetik und Antiästhetik. Sie wird als unkünstlerische Provokation wahrgenommen, die curios für kontraproduktiv hält, während waitthisisnotpornhub3860 ihre ästhetische Qualität mit den Bildern von Jackson Pollock oder Cy Twombly vergleichen würde.10
Für Sprüher*innen hat diese Linie gemeinhin so wenig mit Ästhetik zu tun, wie sie für Kunsthistoriker*innen schön, poetisch oder glänzend sein dürfte, und dennoch entfaltet sie eine mitreißende Wirkung. Auch wenn sie nicht auf einen Zug gesprüht wird, ist die terrorline meist geschlängelt und weckt den Eindruck von Dynamik (vgl. Abb. 1, 4, 8). Nicht nur hat der Akt des Malens einer terrorline ein impulsives Moment, sondern dieser aggressive Impuls spiegelt sich in der Form der Linie selbst wider. Sie verläuft wie eine Herzstromkurve und hält den Eindruck entladener Energie fest, obwohl diese wellenlinige Form in funktionalistischer Hinsicht bloß die zu säubernde Fläche erhöhen und so diesen Prozess bewusst verkomplizieren soll. Die Strichbreite und Dichte können je nach Handhabung von Dose und Sprühkopf variiert werden. Die Linie schwillt an und ab, schlägt hohe Bögen und flache, kann sich überschlagen und zur Geraden werden, ohne sich je in eine feste Form zu versteifen. Im Fachjargon ließe sich sagen, dass sie flow hat. Sie fließt geradezu wie ein Strom über den jeweiligen Untergrund. Ihre Wirkkraft und damit auch die szeneinterne Anerkennung erhöht sich mit Umfang und Länge der Linie. Sie ist jedoch nicht gegenständlich, sondern abstrakt, verweist nicht auf etwas außer ihrer selbst, sondern generiert Sinn (oder eher Unsinn) aus sich heraus. Ihr künstlerischer Wert mag gering sein, aber ihre sinnliche Wirkung ist drastisch, erweckt im lateinischen Wortsinn des terroris Schrecken – in dem Video Keep us in good memories lässt sich dies an den erschrockenen und verständnislosen Gesichtern der Bahnreisenden, des Zugpersonals und der Polizeikräfte innerhalb der Bahnhöfe ablesen. Die linea terribile ist an sich schrecklich und ihre Kraft bewirkt einen affektiven Übersprung. Es müssen nicht erst komplex verschachtelte Buchstaben entschlüsselt werden, um die Botschaft zu verstehen. Sie ist somit auf einer aktiven und passiven, auf einer produktiven und rezeptiven Ebene zu verstehen. Im Malakt terrorisiert sie das betroffene Objekt oder das dahinterstehende Subjekt, im Rezeptionsakt ruft sie Entsetzen hervor.
Kunsthistorische Volten des Nicht-Künstlerischen
In seinen 13 Variationen über die Linie hält der Kunsthistoriker Werner Hofmann für die Wellenlinie ganz allgemein fest, was er der prinzipiell mitgemeinten terrorline vielleicht wieder abgesprochen hätte: „In den ubiquitären Anpassungen der Wellenlinie wird deutlich, daß sie über elementare Energien verfügt, die sich keiner Stilnomenklatur einpassen lassen.“11 Die Form der terrorline zeugt demnach von einer gewissen widerstandsfähigen Auflehnung gegen ästhetische Normen. Eine weitere Qualität der Wellenlinie ist die Unerschöpflichkeit ihrer Variation sowie die ihr anzusehende Spontanität. Jede terrorline ist vollkommen einmalig und nicht reproduzierbar. Ihr Anfang ist ein willkürlich aggressiver Impuls, ihr ultimatives Ende die leere Sprühdose. „Ihr Grundton ist die spontane Expansion linearer Energien. Diese zwanglos anmutenden Abläufe gehen aus einem Bewußtsein hervor, das weiß, was es nicht will, das also die Festlegung auf Nachahmungsschemata vermeidet.“12
Die terrorline folgt keiner Regel, obwohl sie wie oben geschildert nicht methodenlos ist. Sie ist – mit Hofmann gesprochen – „die Linie, die alles kann“13; und nichts muss. Sie ist vollkommen voraussetzungslos. Selbst ein Kleinkind könnte sie ziehen, während das Malen von pieces ausgeprägter Fähigkeiten bedarf. Niemand wird eine terrorline dafür kritisieren, dass sie nicht ordentlich ist, genauso wenig wie jemand die Unregelmäßigkeit der Linien eines drip paintings von Jackson Pollock bemängelt. Zwar haben terrorlines im Gegensatz zu seinen unendlich anmutenden Liniengewirren einen bestimmbaren Anfangs- und Endpunkt sowie überhaupt mehr Linearität, doch können sie gleichermaßen zwar keine materielle, so doch zumindest eine ideelle Grenzenlosigkeit für sich reklamieren.
Dabei „bezieht sie diese schweifende Beweglichkeit aus einer unruhig suchenden Phantasie, die immer wieder versucht, das Artefakt zu transzendieren, den Formaufwand mit Aussagen zu versehen, die das Rätsel der menschlichen Existenz ausloten.“14 Auf die terrorline übertragen ließe sich das wie folgt übersetzen: Die unruhig suchende Phantasie der delinquenten Sprüher*innen versucht die Grenzen des gesellschaftlich Anerkannten permanent zu übertreten. Aber sie prägen den Wänden etwas auf, das diese nicht transzendiert, sondern durch Überlagerung unterwandert; nicht, um irgendein Rätsel der menschlichen Existenz auszuloten, sondern wenn überhaupt, um einem Nicht-Einverstanden-Sein den bestehenden Verhältnissen Ausdruck zu verleihen. Darin liegt ihre permanent gegenwärtige Aussage. Die terrorline wird als bloßer Vandalismus intendiert und rezipiert. Sie ist in erster Linie Zerstörung, doch in zweiter Linie liegt in ihr als grafische Spur eine ästhetische Qualität. In dem Moment, in dem sie als Ausdruck einer Antiästhetik angewandt wird, entwickelt sie eine Ästhetik eigener Art. Sie pendelt zwischen diesen Polen hin und her und es ist genau dieser Umstand, der ihr eine gewisse Sonderstellung verleiht.
Abschließend lässt sich festhalten, dass es sich gemeinhin sowohl aus szeneinterner als auch aus kunsthistorischer Perspektive verbietet, mit Blick auf die terrorline von Schönheit, Zartheit, Glanz, Poesie oder Ästhetik allgemein zu sprechen. Es sollte jedoch auch klar geworden sein, dass dem expliziten Vandalismus der Linie eine ästhetisch besonders fesselnde Qualität innewohnt, die einerseits aus der radikalen Negation des Trägermediums resultiert, aber auch aus der eigenwilligen Form der welligen Linie selbst. Für den besonderen Charakter der Form ist William Hogarth der ideale Gewährsmann. Zwar legt er in seiner Analysis of Beauty exakte Parameter fest, nach denen die Wellen- und Schlangenlinien ausgeführt werden müssen, um die Ehrentitel „line of beauty“ und „line of grace“ zu verdienen, er betont jedoch auch, dass sie selbst dort, wo sie „too bulging, or too tapering“ ausgeführt sind, zwar mit Sicherheit etwas von ihrer „beauty and grace“ verlieren, aber: „they do not become so wholly void of these“.15 Die terrorline entsteht zwar aus einer zerstörerischen Absicht heraus, dabei entwickelt sie aber mehr oder weniger Schönheit und Anmut.
References
- Dürer, Albrecht (1525): Underweysung der Messung, mit dem Zirckel und Richtscheyt, in Linien, Ebenen unnd gantzen corporen, Buch 1, https://de.wikisource.org/wiki/Underweysung_der_Messung,_mit_dem_Zirckel_und_Richtscheyt,_in_Linien,_Ebenen_unnd_gantzen_corporen/Erstes_Buch (letzter Zugriff: 29.06.2023).
- Hofmann, Werner (2014): Die Schönheit ist eine Linie. 13 Variationen über ein Thema, München: C.H. Beck.
- Ebd., S. 190.
- Vgl. Worcester News (2022): Just Stop Oil activists spray orange paint on Rolex building in central London, in: Worcester News [https://www.worcesternews.co.uk/news/national/23084426.just-stop-oil-activists-spray-orange-paint-rolex-building-central-london/], 28/10/2022; Anderson, Natasha (2022): Chaos on Tufton Street as Just Stop Poö strike again: Eco-zealots spray orange substance over home of climate change sceptics while furious cabbie drives AROUND fanatics lying on the road in group’s 27th stunt this month, in: Daily Mail [https://www.dailymail.co.uk/news/article-11352205/Just-Stop-Oil-spray-orange-substance-door-HQ-climate-change-sceptic-lobby-group.html], 25/10/2022 (letzter Zugriff: 29.06.2023).
- Vgl. zur Begriffsunterscheidung zwischen Terror und Terrorismus sowie zur Begriffsgeschichte überhaupt: Pfahl, Traughber, Armin: Terrorismus – Merkmale, Formen und Abgrenzungsprobleme, 10.06.2016, online unter: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/228864/terrorismus-merkmale-formen-und-abgrenzungsprobleme/ (letzter Zugriff: 15.08.2023).
- Chappuis, Philippe (2020): Alle malen Halls, keiner ist mehr Strasse, http://www.medienrevolution.ch/?p=807, 15/10/2020 (letzter Zugriff: 29.06.2023).
- Warnke, Martin (1988): Durchbrochene Geschichte? Die Bilderstürme der Wiedertäufer in Münster 1534/35, in: Bildersturm. Die Zerstörung des Kunstwerks, hrsg. v. Martin Warnke, Frankfurt a. M.: Fischer, S. 65-99, hier S. 94.
- Keep us in good memories, 01/11/2015, 01:19:29, die hier relevanten Szenen ab 01:16:00, https://www.youtube.com/watch?v=Pr1uXWKFv_k (letzter Zugriff: 29.06.2023).
- Allerdings richtet sich die terrorline hier nicht gegen die Züge an sich. Sprüher*innen haben eine große Leidenschaft für Züge, weshalb sie nicht selten eine Vielzahl von Modellen beim Namen nennen können und manche von ihnen als sogenannte Modell-Hunter durch die Welt reisen, um ganz bestimmte Varianten zu bemalen. Wenn ein Sinngehalt hinter dem Zug angegriffen werden soll, dann lediglich beiläufig die Bahngesellschaften. Diese Erzfeindschaft ist aber nur logisches Resultat der Leidenschaft für Züge als rollende Bildträger, deren Bemalen natürlich unter Strafe steht.
- Für die Bilder der beiden abstrakten Expressionisten ist die Linie von zentraler Bedeutung. Twombly setzte seine Kunst in einem Gespräch mit dem langjährigen Leiter der Tate Britain Nicholas Serota selbst in Bezug zu Graffiti: „In those beautiful early paintings like Academy, it’s graffiti but it’s something else, too.“ Ihm zufolge seien die Bilder zwar ebenso wie Graffiti linear, aber der Duktus sei im Gemälde „more lyrical“ oder „more complicated“ oder „more elaborate“ als im Graffiti, das üblicherweise Züge eines „protest“ trage oder zumindest „a reason for being naughty or aggressive“ hat. Zum Gespräch zwischen Serota und Twombly siehe: Serota, Nicholas (2008): ‘I work in waves’, in: The Guardian [https://www.theguardian.com/artanddesign/2008/jun/03/art1], 03/06/2008 (letzter Zugriff: 29.06.2023).
- Hofmann 2014, S. 8.
- Ebd., S. 17.
- Ebd., S. 15.
- Ebd.
- Hogarth, William (1909): The Analysis of Beauty, Reprint, Pittsfield: The Silver Lotus Shop, S. 102-103.
SUGGESTED CITATION: Schepers, Lukas: In erster Linie Schrecken. Die terrorline als ästhetisches Problem, in: KWI-BLOG, [https://blog.kulturwissenschaften.de/in-erster-linie-schrecken/], 16.10.2023