Lara PelsLarissa GeppertMerle MühlbergWohnen | Dwelling

Konsum oder Verzicht?

Konsum oder Verzicht? Über den Trend des Minimalismus Erschienen in: Wohnen | Dwelling Von: Lara Pels, Larissa Geppert, Merle Mühlberg

Dieser Beitrag entstand im Rahmen des interdisziplinären Blockseminars „Wohnen – Kulturwissenschaftliche Perspektiven“, das Julika Griem und Tobias Schlechtriemen an der Universität Duisburg-Essen und der Albert Ludwigs-Universität Freiburg mit Studierenden der Sozial- und Kulturwissenschaften im SoSe 2022 durchführten. In den Beiträgen erproben die Bachelor- und Masterstudierenden einzelne kulturwissenschaftliche Perspektiven und Methoden jeweils an einem Fallbeispiel.

Erfüllung durch Einschränkung?

Ein deutscher Haushalt besitzt durchschnittlich etwa 10.000 Gegenstände. Doch brauchen wir tatsächlich all diese Dinge,um ein ‚glückliches‘ Leben zu führen? Verfechter des Minimalismus zweifeln daran und versprechen stattdessen ein erfüllteres Leben durch eine Beschränkung auf das Notwendigste.1 Der minimalistische Lebensstil ist in den vergangenen Jahrzehnten und vor allem in den letzten Jahren – wenn auch unter sich ändernden Begrifflichkeiten – immer populärer geworden.2 Aber was genau steckt tatsächlich hinter diesem Trend? Wir haben das Konzept einmal genauer betrachtet – von seiner Entstehung bis hin zur Präsenz auf Instagram und bei IKEA.

Beweggründe für einen minimalistischen Lebensstil

Lebensstile, die anstreben, mit wenig Materiellem auszukommen, existieren geschichtlich betrachtet schon relativ lang. Bereits in der griechischen Antike ab etwa 400 v. Chr. wird in philosophischen Strömungen wie dem Kynismus oder Stoizismus in einem einfachen und bescheidenen Leben der Weg zur spirituellen Erfüllung gesehen. Auch in vielen großen Weltreligionen werden minimalistische Lebensweisen propagiert.3 In der westlichen Welt wird seit Ende des 20. Jahrhunderts das Konzept eines einfachen, minimalistischen Lebensstils, der heute nur noch selten religiös oder philosophisch begründet ist, immer präsenter. Doch was sind die Beweggründe dafür, dass viele Menschen sich für diese beinahe asketische Lebensweise entscheiden? Ein beispielhaft geführtes Interview (siehe Anhang) mit einem uns bekannten Minimalisten (Selbstbezeichnung) sollte uns eine Antwort auf diese Frage geben.

Der Interviewte berichtete einerseits, dass häufig Krisen in Form von Umbrüchen, Unruhe, Stress oder neuen Lebensabschnitten Auslöser für eine radikale Besitzreduktion in seinem Leben waren:

So rückblickend ist es immer dann passiert in Zeiten großer Unruhe. Also in Zeiten großer Umbrüche. Ob es jetzt in der Kindheit war, in der Pubertät, alles raus was alt ist, […] neuer Lebensabschnitt oder ich ziehe jetzt um und leb in nem Bus und jetzt merk ich das auch, wenn viel los ist, möchte ich möglichst wenig besitzen.

Der Besitz zu vieler Dinge und deren kontinuierlich erforderliche Pflege kann ferner zu einer emotionalen Überforderung führen, die so stark sein kann, dass Personen das Gefühl haben, nicht mehr Herr der Lage zu sein.4 Mit einem Weniger an Dingen hingegen, so auch der Interviewte, gehe oftmals ein persönliches Mehr einher, wodurch wieder Zeit für das Wesentliche verfügbar sei:

So ein bisschen verändert es mich schon, weil ich mehr Kapazität für anderes habe. Also ich hab´ einfach Energie für anderes. […] Es ist einfach strukturierter und klarer […] also befreiend in dem Sinne, dass mich weniger ablenkt, ich im Kopf mehr Muße hab.

Auch ökologische Motive, wie das Bewusstsein für durch den westlichen Kapitalismus verursachte Folgen des Klimawandels, bewegen Menschen zu weniger materialistischen Lebensweisen. Mit einem Ausstieg aus der Konsumgesellschaft soll den meist wenig hinterfragten Kaufgewohnheiten entgegengewirkt werden.5

Minimalistisch Wohnen am Beispiel von Instagram

Instagram bietet Personen und Unternehmen eine Plattform, um verschiedenste Themen mithilfe von Bildern und Videos im Internet darzustellen. Der Minimalismus und insbesondere das minimalistische Wohnen gehören hier schon seit Längerem zu beliebten Inszenierungsobjekten. Unter Hashtags wie #minimalism oder #minimalisticliving lassen sich auf Instagram zahlreiche Bilder mit minimalistisch eingerichteten Wohnungen finden. Beim Vergleich von drei beispielhaften Bildern (Abbildungen 1-3) fiel auf, dass nicht nur die Anzahl der Gegenstände, die (wenig überraschend) auf das Minimalste reduziert ist, sondern auch die gewählten Farben für eine minimalistische Einrichtung kennzeichnend sind. Häufig werden blasse Farben wie beige, weiß, grau oder dazwischenliegende Farbnuancen gewählt. Intensivere Farbtöne sind oftmals nur durch eine im Raum platzierte Pflanze oder einen schlichten Blumenstrauß gegeben. Insgesamt wirkt die Einrichtung der Zimmer sehr rational und kühl. Es entsteht weniger der Eindruck, dass in diesen auch wirklich gewohnt und gelebt wird. Lediglich eine auf dem Sofa liegende Katze (Abbildung 1) scheint der Beweis für die tatsächliche Bewohnung des Raumes zu sein. Mit einer asketischen Lebensweise, die einst die Kyniker oder Stoiker führten, scheint der Minimalismus, der auf diesen äußerst in Szene gesetzten Instagram-Räumen vermittelt wird, eher wenig gemein zu haben. Es ist jedoch nicht nur das Ziel der Inszenierung, zu welchem das Konzept herangezogen wird; auch machen sich Wirtschaftsunternehmen den Minimalismus zu eigen, indem sie mit ihm als Wohn- und Einrichtungsstil werben.

Abb. 1-3: Minimalismus auf Instagramm6

Der Markt des Minimalismus am Beispiel des Einrichtungshauses IKEA

Der Stress der Stadt war es, der in Martina und Filip das Verlangen nach einem langsameren, einfacheren und achtsameren Leben weckte – und das änderte sich auch nicht durch die Geburt ihres Sohnes Henri, der ihr Leben natürlich zunächst einmal auf den Kopf stellte. […] Die gemütliche kleine Wohnung der beiden vermittelt gelebte Einfachheit: Sie ist nur mit den notwendigsten und geliebtesten Dingen gefüllt und hat neben der Gegenwart immer fest die Zukunft im Blick.7

Mit diesen einleitenden Worten führte der Beitrag auf der Homepage des Einrichtungsriesen Ikea durch die Wohnung von Martina und Filip und ihrem neugeborenen Henri. Der Beitrag beinhaltet zudem einen einminütigen Videoclip, indem die minimalistische Wohnungseinrichtung gezeigt wird. Nach dem Clip findet man schließlich gezielt die Einrichtungsgegenstände der Wohnung, die auch gleich mit Namen und Preis beschriftet sind. Ein weiterer Klick auf das wirkungsvoll dargestellte Möbelstück leitet nun auf die Shop-Ansicht weiter, und von dort gelangt das gutaussehende Produkt (und das Leben von Martina und Filip) direkt in den Warenkorb.

Schon an dieser Verkaufsstrategie lässt sich klar erkennen, dass das Interesse solcher Unternehmen nicht darin besteht, ihre Kunden dazu zu bringen, weniger zu kaufen. Vielmehr liegt der Fokus hier auf dem Gewinn, der durch den Konsum minimalistischer Lebensstile vielversprechend scheint. Demnach mag der Verzicht, der in vielen Definitionen von Minimalismus wiederzufinden ist, ein gemeinsamer Nenner vieler Menschen sein. Die Motive dahinter sind jedoch vielfältig: Für den einen ist der bewusste Verzicht mit dem persönlichen Anspruch verbunden, durch das eigene (in diesem Fall reduzierte) Konsumverhalten die Gesellschaft nachhaltiger zu gestalten. Für die anderen ist der neue Minimalismus eine Art psychische Selbsthilfe, um mit dem Überangebot und der Immer-Verfügbarkeit von Informationen und Produkten aller Art zurechtzukommen. So schwankt das Pendel der Konsumenten zwischen einer eher selbstfokussierten Natur und ethisch-ökologischen Motivationen.8

Einrichtungshäuser können sich demnach nicht einfach darauf verlassen, dass die meisten Menschen sich eben irgendwie einrichten müssen. Einfach nur Möbel verkaufen funktioniert nicht. Die Kreativität der Einrichtungshäuser wird daher stetig auf die Probe gestellt und erfordert immer wieder neue Vermarktungs-Strategien. Mittlerweile wendet sich derer Trend nicht mehr hauptsächlich an den Konsum von Produkten, sondern auch an Dienstleister, die dabei helfen, Verzicht auszuüben.9 So pflegte auch Ikea mit dem Idealbild der kleinen Familie von Martina, Filip und Henri das Bild eines minimalistischen und schönen Lebensstils, der schließlich nicht dazu verleiten soll, weniger zu konsumieren, sondern vielmehr einen weiteren Kauf mit sich bringt.

Minimalismus – Kapitalismus schön verpackt?

Von neuen Werten aufgeladene Videoclips und Blogbeiträge weisen uns auf einen glorifizierten Weg der Besitzlosigkeit. Hergerichtete Bilder und vielversprechende Zeilen vermitteln das Bild, dass Minimalismus gravierende Problem zu lösen vermag: Weniger Stress und eine neue Quelle von Gelassenheit und damit ein Fokus auf das Wichtige im Leben. Aber auch die Minimalismus-Bewegung birgt ihre Schattenseiten. Der Begriff verkörpert nun viel mehr ein medial aufgeladenes Ideal, welches Denken und Handeln steuert und sich zudem zu einem Steckenpferd der Werbeindustrie entpuppt hat. Wie bereits durch Instagram und IKEA beschrieben, häufen sich Vorstellungen und Ideale einer minimalistischen Welt, die von der Vermarktung „minimalistischer“ Produkte getragen werden.10 Ein Blick hinter die Kulissen verrät uns allerdings, dass der Prozess des Ausmistens meist recht wenig mit der Lebensphilosophie von Nachhaltigkeit zu tun hat.11 Aussortierte Möbel, Bücher, elektronische Geräte, Geschirr und persönlicher Krempel gelangen selten in eine ordnungsgemäße Entsorgung, sondern eher in den Restmüll. Nachhaltiges Ausmisten bedarf eher einer Fahrt zum Wertstoffhof, zur Kleiderkammer oder zur Diakonie. Ohne diesen Schritt und das Verständnis eines Kreislaufs der Dinge beginnt die Ära des Minimalismus unter dem Stern der kapitalistischen Wegwerfgesellschaft. Es erfordert weitaus mehr zeitliche und mentale Kapazität, sich sonntags auf den Flohmarkt zu stellen, um auch den ganzen Krimskrams aus dem Keller loszuwerden, als einfach alles in der Tonne zu entsorgen. Dies erfordert allerdings eine zeitintensive Willensstärke, die nicht immer unbedingt bei allen vermutet werden kann, die nur von medialen Idealen bezaubert und dem Hype des #minimalismus auf Instagram anhängen.

Es ist also verständlich, warum neben glorifizierenden Videos und Blogs von selbsternannten Minimalist*innen auch zahlreiche Beiträge mit Argumenten gegen den Trend des Nicht-Besitzens zu finden sind. Einen oft unter den Teppich gekehrten Faktor eines minimalistischen Lebensstils bilden monetäre Mittel. Auch wenn dies durch Werbung und Lifestyle-Videos auf YouTube nicht hervorgehoben wird, hat „die neue Bescheidenheit […] einen hohen Preis“.12 Im Gegensatz zur eigentlichen Idee des Minimalismus wird schnell deutlich, wer sich einen „minimalistischen Lifestyle“ mit dem Motto Qualität vor Quantität überhaupt leisten kann. Es geht dann nicht mehr darum, mit möglichst wenig auszukommen, sondern vielmehr mit aus der Werbung ausgewählten Produkten zu protzen/eine eigene Distinktion zu erlangen? Für einen großen Teil der breiten Bevölkerung stellt dagegen die Anschaffung qualitativ besserer und nachhaltiger Produkte eine finanzielle Be- oder sogar Überlastung dar.13

Verzicht auf den Verzicht?

Trotz der berechtigten Kritik an seiner kommerziellen Vereinnahmung bleibt jedoch die Grundidee des Minimalismus eine gute: Es geht darum, bewusst auf Materielles zu verzichten, um mehr Raum für wichtigere Dinge zu schaffen. Dazu gehört allerdings nicht nur die Entrümpelungsaktion, sondern auch das Überdenken des künftigen Kaufverhaltens. Ob die minimalistische Lebensform der westlichen Gesellschaft aber nun tatsächlich als Gegenentwurf zu unserer Konsum- und Leistungsgesellschaft gesehen werden kann, bleibt fraglich. Letztlich tragen sowohl die minimalistischen Darstellungen auf Instagram als auch die Verkaufsstrategien von Einrichtungshäusern wie Ikea weiterhin zur Reproduktion einer stetig wachsenden Konsumgesellschaft bei.


Anhang

Interview mit einem Minimalisten

A: Siehst du dich als Minimalist? Wenn ja, warum?

B: Also ich habe auf jeden Fall ein Riesenbedürfnis, möglichst minimalistisch zu leben. Ob ich das im Alltag hinkriege, ich bin halt auch Chaot und Sammler. Manchmal bin ich voll minimalistisch und schmeiß alles raus was ich drei Wochen nicht angepackt hab und manchmal gibts so Phasen, wo ich alles sammle.

A: Aber hast du schon eher so das Gefühl, dass du sagen würdest, ich bin Minimalist, als dass du sagen würdest, nee, ich mag irgendwie Sachen besitzen. Also du hast ja schon eine Faszination dafür?

B: Auf jeden Fall. Das Bestreben ist auf jeden Fall da.

A: Lebst du schon immer minimalistisch? 

B: Auf jeden Fall nicht, denke ich. Ähm, auch da ist es irgendwie so eine Schwingung. Ich hatte in der Kindheit Zeiten wo ich alles gesammelt hab, was ich so gefunden hab. Auch an Technikkram. Ich hatte die Schubladen voll mit Patronen. Es gab so Phasen wo ich alles rausgeschmissen hab, so ganz stark aussortiert hab und ganz schnell reduziert hab. Und tendenziell ist es schon mehr geworden mit dem Minimalismus. Nach Jill hatte ich so eine Phase da hab ich alles rausgeschmissen was es so gibt. Es hat sich so entwickelt auch, ja. 

A: Also hat es dich schon immer begleitet, aber hat quasi so einen Anstieg gefunden?

B: Ja, auf jeden Fall. Wie so eine Gerade, die um eine absteigende Gerade herum schwingt.

A: Gab es einen Auslöser für deine minimalistische Lebensweise? Vielleicht kannst du das so ein bisschen rückblickend auf deine letzte Minimalismuswut beziehen. Ob du da quasi das Gefühl hast, ob es so stetig und langsam mehr geworden ist, oder ob es irgendwie so einen Punkt gab, oder Dinge in deinem Leben, die so als Auslöser definiert werden können.

B: So rückblickend ist es immer dann passiert in Zeiten großer Unruhe. Also in Zeiten großer Umbrüche. Ob es jetzt in der Kindheit war, in der Pubertät, alles raus was alt ist, oder nach Jil neuer Lebensabschnitt oder ich ziehe jetzt um und leb in nem Bus und jetzt merk ich das auch, wenn viel los ist, möchte ich möglichst wenig besitzen. Reicht dir das?

A: Ne voll gut, darauf spielts auch so ein bisschen ab, herauszufinden, ob das quasi einfach so etwas ist, was man trendbedingt einfach macht, was einen fasziniert, oder man so das Gefühl hat, ich hab eine innere Unruhe und das übertrage ich jetzt auf mein Äußeres. Und das wäre ja irgendwie spannend, also darum gehts uns ein bisschen.

B: Ja genau das ist es. Gestern hab ich dazu was aufgeschrieben, das ist ja witzig. Zum einen bedeutet es Befriedigung.

Ich glaube auch einfach aus meiner Kindheit, weil man uns glaube ich so darauf konditioniert hat. „Oh du hast aber toll aufgeräumt“. Also das ist so eine Methode für das Selbstwertgefühl auch. Und entfacht einfach eine Wahnsinns Ruhe, etwas ordnen im Außen, etwas ordnen im Innen. Und erinnert mich auch an das was du mal gemeint hast, so viele Sachen hat man alle im Kopf und nehmen alle irgendwie Arbeitskapazität weg. Und so empfinde ich das auch. Am besten gehts mir, wenn ich im Wald bin und Schlafsack, Isomatte und Wasserflasche bei hab so. Richtung Beruhigung.

A: Die nächste Frage wäre jetzt gewesen: Wie wirkt sich deine minimalistische Lebensweise auf dein Gefühl von Zuhause-Wohnen aus? Ich meine das hast du ja eben schon gesagt, so ein Gefühl von Ruhe, aber hast du da auch noch andere Dinge, die da mitschwingen oder die da motivieren oder beschäftigen oder die da für dich wichtig sind? 

B: Ja also, beruhigend, strukturierend, befreiend, also befreiend in dem Sinne, dass mich weniger ablenkt, ich im Kopf mehr Muße hab und dann auch frei zu sein einfach wegzugehen, also das ist so ein unkonkreter Gedanke „Hey, ich kann einfach mal weggehen. Schlüssel aus dem Schrank nehmen, ins Auto stecken und ich bin weg.“ Flexibilität und Freiheit.

A: Aber auch so explizit auf dein Wohnen, also wirklich so dein Zuhause, was siehst du da so für Vorteile? Auch in deinem Lebensstil aber so wirklich auf das Wohnen bezogen?

B: So flexibel zu sein, einfach loszufahren. Also das Nötigste zu haben und flexibel zu sein.

A: Aber das bezieht sich ja jetzt eher auf das von Zuhause weggehen. Aber jetzt so dein Alltag. Wie gestaltet sich dein Alltag dadurch, dass du weniger Dinge besitzt oder weniger Dinge haben willst? Dass dieser Wohnaspekt dieses Zuhause und in deiner Wohnung nochmal beleuchtet wird.

B: Entspannter, weil so Pflegetätigkeiten wegfallen. Also so Unterhalt von Gegenständen, Sachen abstauben. Das macht es einfacher. Also so die Einfachheit, also viel Ordnung Reinigung fällt einfach weg. In dem Sinne dann, als Vorteil. Und auch die geistige, so beides. Es ist einfach strukturierter und klarer und raubt nicht so viel Energie, um darin zu leben in dem Chaos.

A: Inwieweit wirkt sich deine Art von Minimalismus auf weitere Lebensbereiche aus? Welche Erfahrungen hast du bereits hinsichtlich dessen gemacht? Was gibt es außer des Reisens und Wohnens noch was dir dazu einfällt? 

B: Also beim Reisen möglichst wenig mit, also dass ich einfach mit Nichts zurechtkomme und auch bewusst machen möchte, also ich hab ne Challenge, dass ich nur mit dem Messer rausgehe und versuche mir Feuer zu machen, also sowas. Es geht voll um Unabhängigkeit bei allem. Beim Reisen vor allem. Einfach nicht viel zu haben, unabhängig zu sein, nichts zu brauche und bei Beziehungen ist es auch so, da geht es auch viel um Unabhängigkeiten. Möglichst wenig gute Freunde.

A: Aber wenn du jetzt zum Beispiel Zuhause bist und hast jetzt den Raum, den du ja auch Zuhause hättest, aber trotzdem auf Gegenstände verzichtest, damit nimmst du dir ja eine Art von Luxus, aber du machst diese Entscheidung ja trotzdem, dass du sagst, das ist irgendwie wichtig. Wie würdest du das so rechtfertigen oder erklären, warum es dir wichtiger ist, weniger zu besitzen als dass man irgendwie alle Dinge hat, die man immer praktisch benutzen kann, wo es immer eine Funktion zu gibt, z. B.?

B: Zum einen aus persönlichen Gründen. Ich will unabhängig sein von Gegenständen und auf nichts angewiesen sein. Und der andere ist, ein materieller einfach. Ich möchte die Dinge nicht haben, weil sie Ressourcen verbrauchen, also es ist ökologischer auch.

A: Was, wenn du jetzt z. B. so denkst, “Ok ich hab jetzt schon mehrere Phasen gehabt wo ich so ausgemistet habe, was kannst du dir vorstellen, was auch weitere Auslöser sein könnten für dich? Wenn du jetzt so an deine Zukunft denkst und sagst es steht was Großes bevor, deswegen kann ich mir vorstellen, dass ich dafür nochmal runter reduziere, oder was sind generell so Situationen, wo du das Gefühl hast, danach packt dich so eine Minimalismus-Wut quasi?

B: Wenns mir nicht gut geht, dann räum ich auf.

A: Glaubst du, deine Persönlichkeit hat sich durch den Minimalismus auch sonst in irgendeiner Hinsicht verändert?

B: Vielleicht versteh ich die Frage auch nicht richtig. Der Minimalismusantrieb kommt ja aus mir heraus. Ist ja kein Trend bei mir. Vielleicht ist es schon noch angestoßen von so tiny living, aber eigentlich kommt es aus mir raus. Dann ist es ja Teil meiner Persönlichkeit. So ein bisschen verändert es mich schon, weil ich mehr Kapazität für anderes habe. Also ich hab einfach Energie für anderes.

A: Ja also kann man auch quasi sagen, dass es so eine Art von Inspirationsquelle ist? 

B: Ja auf jeden Fall.

A: Wenn du noch was sagen möchtest, was dir einfällt.

B: Du meinst, der Trend ist Inspiration gewesen fürs minimalistische Leben oder wie meinst du das?

A: Ne ich hatte jetzt eher gedacht, dass jetzt quasi in nem Raum, in dem man minimalistisch lebt, dass der einen inspiriert. Und der einem Türen öffnet und das vielleicht sich, weil du ja auch sagtest man hat so einen freien Kopf, sich das dann irgendwie, das ist ja so eine Spirale quasi, die sich gegenseitig bedingt, eher als dass es so „Ich möchte minimalistisch leben, also lebe ich minimalistisch“, sondern da sind ja auch Folgeschritte, was da mit einem passiert oder woran man dann z.B. wachsen kann.

B: Unter Inspiration verstehe ich was anderes, also eine Inspiration ist für mich Input. Eher Freiheit.

A: Also ist Minimalismus eher so ein praktischer Output, oder eine praktische Durchführung eines Inputs?

B: Eine Methode, es ist wirklich eine Methode, um mich auf anderes zu konzentrieren. Methode, um Energie zu sparen.

A: Weil jetzt, so als letzte Anregung, in einem der Texte, die wir gelesen haben, ging es so ein bisschen darum, dass Minimalismus auch zu einer Entschleunigung führt. Wäre das so ein Begriff, der da auch irgendwie passen würde? Oder was denkst du dazu?

B: Ja schon. Weiß ich gerade nicht, ob ich damit was anfangen kann, ob das passt für mich.

A: Das ist ja eine genauso richtige Antwort.

B: Ok. Entschleunigend, ja. Minimalismus ist bei mir auch oft Medien, also Handy, Rechner und so. Also wenn ich das irgendwie minimiere, die Nutzung von diesen Medien, da ist auf jeden Fall eine Entschleunigung da.

References

  1. McMakler (2018): Der Minimalismus: Das steckt tatsächlich hinter dem Social Media Trend. McMakler. https://www.mcmakler.de/magazin/minimalismus [letzter Aufruf: 21.08.2022]
  2. WELT (2020): Warum gerade Millennials ganz besonders auf Minimalismus abfahren. WELT. https://www.welt.de/kmpkt/article204805134/Wieso-fahren-wir-eigentlich-so-auf-Minimalismus-ab.html [letzter Aufruf: 21.08.2022]
  3. Derwanz, H. (2022): Perspektiven auf das Phänomen Minimalismus. In: Heike Derwanz (Hg.) (2022). Minimalismus – Ein Reader. Bielefeld: Transcript Verlag, S. 7-14.
  4. Ebd.
  5. Neugart, A. (2022): Simply Green. Von Achtsamkeit bis Zero Waste: Nachhaltige Lebensstile im Faktencheck. München: oekom Verlag, S. 11-23.
  6. Bildnachweise: Abb. 1: Instagram. tamaraxhome, 2022. https://www.instagram.com/p/Chh-NSCMFIg/?igshid=YmMyMTA2M2Y= [letzter Aufruf: 22.08.2022]; Abb. 2: Instagram. decorinsprn, 2022. https://www.instagram.com/p/CMFexIzg8JL/?igshid=YmMyMTA2M2Y= [letzter Aufruf: 22.08.2022]; Abb. 3: Instagram. interior_by_cho 2022. https://www.instagram.com/p/CMJp2bRMc-Z/?igshid=YmMyMTA2M2Y= [letzter Aufruf: 22.08.2022].
  7. Ikea (2021): Nicht mehr, nicht weniger. Raumgestaltung: Zeitlos & Robust. IKEA Deutschland GmbH & Co. KG. https://www.ikea.com/de/de/ideas/home-furnishings/raumgestaltung-robust-zeitlos-pub844905b0 [letzter Aufruf: 17.08.2022].
  8. Anthes, D. (2017): Vom Minimalismus, der eigentlich ein Maximalismus ist. Danielathens.com. https://www.danielanthes.com/minimalismus/ [letzter Aufruf: 22.08.2022].
  9. vgl. Kirig, A., & Anthes, D. (2017): Minimalismus: Besser statt mehr. Zukunftsinstitut: Die neue Achtsamkeit. Zukunftsinstitut. https://www.zukunftsinstitut.de/artikel/minimalismus-besser-statt-mehr/ [letzter Aufruf: 22.08.2022].
  10. vgl. Rosales, C. (2020): Minimalismus – Verzicht muss man sich leisten können. Zeit Magazine Online. https://www.zeit.de/zeit-magazin/leben/2020-01/minimalismus-marie-kondo-aesthetik-selbstinszenierung-snobismus?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F [letzter Aufruf: 22.08.2022].
  11. vgl. Stajić, O. (2020): Ist Minimalismus die Lösung oder nur ein weiterer Konsumtrend? Der Standart. https://www.derstandard.de/story/2000113669347/ist-minimalismus-die-loesung-oder-nur-ein-weiterer-konsumtrend [letzter Aufruf: 22.08.2022].
  12. vgl. Rosales, C. (2020): Minimalismus – Verzicht muss man sich leisten können. Zeit Magazine Online. https://www.zeit.de/zeit-magazin/leben/2020-01/minimalismus-marie-kondo-aesthetik-selbstinszenierung-snobismus?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F [letzter Aufruf: 22.08.2022].
  13. Lettman, S. (2020): Ist Minimalismus ein Privileg? Minimalwaste. https://minimalwaste.de/blog/ist-minimalismus-ein-privileg/ [letzter Aufruf: 22.08.2022].

SUGGESTED CITATION: Geppert, Larissa; Pels, Lara; Mühlberg, Merle: Konsum oder Verzicht? Über den Trend des Minimalismus, in: KWI-BLOG, [https://blog.kulturwissenschaften.de/konsum-oder-verzicht/], 28.11.2022

DOI: https://doi.org/10.37189/kwi-blog/20221128-0830

Write a Reply or Comment

Your email address will not be published. Required fields are marked *